Das 100 % Stromziel aus Erneuerbaren Energien bis 2030 ist ohnehin das erklärte Ziel der Landesregierung RLP und damit steht jetzt im Wahlprogramm im Endeffekt genau das drin, was sich RLP sowieso schon vornimmt, also ist das eigentlich nicht einmal eine Verschärfung der Ambition bei der Rheinland-Pfälzischen Energiewende. Zudem sind diese Ausbaumengen an sich zu wenig, um das angestrebte Ziel der Klimaneutralität bis 2035, spätestens 2040 zu erreichen und es wird wohl auch nicht reichen, den bis 2030 ja ansteigenden Strombedarf aus Erneuerbaren Energien zu decken. Wie groß dieser Strombedarf sein wird, wenn auch der Energiebedarf des Verkehrs-, Wärme- und Industriesektors stromseitig befriedigt werden muss, lässt sich derzeit allerdings nur abschätzen, da dazu entsprechende Szenarien für Rheinland-Pfalz fehlen, welche von den verschärften Klimazielen der Treibhausgasneutralität bis 2035, spätestens 2040 unter Anlage eines Treibhausgasbudgets für Rheinland-Pfalz ausgehen.
Die derzeit im Wahlprogramm stehenden Ausbauziele reichen allerdings nicht einmal aus, um den derzeitigen Strombedarf von ca. 28 TWh (Endenergie) [http://www.statistik.rlp.de/fileadmin/dokumente/monatshefte/2020/April/04-2020-225.pdf S. 232] zu decken, da eine Verdoppelung der Windkraft bis 2030 einen Ertrag von ca. 13 TWh und die Verdreifachung der Photovoltaik einen Ertrag von ca. 7,5 TWh erbrächte.
Hinzu kommen noch einmal ca. 1 TWh Wasser und 1,2 TWh Biomasse. Es bliebe also eine Lücke von ca. 5 TWh Ertrag. [13. Energiebericht Umweltministerium Rheinland-Pfalz https://mueef.rlp.de/de/themen/energie-und-strahlenschutz/energiebericht/]
Und, wie gesagt, der Strombedarf wird bis 2030 ansteigen und umso deutlicher wird er das tun, wenn wir mehr Tempo bei der Energiewende in Rheinland-Pfalz aufnehmen möchten; was wir müssen, wenn wir Paris einhalten möchten. Entsprechende Änderungsanträge zur Verschärfung unserer Klimaziele wurden ja auch bereits schon gestellt. Diese müssen daher nun nach bestem Wissen und Gewissen auch mit den Ausbauzielen in unserem Wahlprogramm in Einklang gebracht werden.
Dieser Änderungsantrag versucht dies auf der Basis des BUND-Rheinland-Pfalz-Szenarios von 2018, welches ein Endenergie-Verbrauchszenario für Rheinland-Pfalz bis 2050 skizzierte, bei dem 100 % der Endenergie im Land aus Erneuerbaren Quellen stammen. [Dies und die folgenden Angaben aus dem BUND-Szenario dort auf S. 17. http://archiv.bund-rlp.de/fileadmin/bundgruppen/bundrlp/Energie/BUND_fahrplan_energiewende_RLP_2018.pdf] Da die Wasserkraft und Biomasse hier nur sehr begrenzt weiter hochskaliert werden können, wird das Gros dieses Ausbaus aus dem Wind- und Solarertrag herkommen müssen.
Im Endenergiesystem des BUND-Szenarios würde Rheinland-Pfalz 77,4 TWh jährlich an Energie benötigen. Hierbei wird von einer Reduktion des Endenergiebedarfs von 143 TWh (2013) auf die genannten 77,4 TWh ausgegangen. Dies entspricht einer Reduktion des Energiebedarfs von 46 %. Ein Abgleich mit Szenarien der Energiebedarfsentwicklung in einem 100 % Erneuerbaren Energiesystem wie sie für die gesamte Bundesrepublik von verschiedenen Instituten und Behörden (z. B. dem Umweltbundesamt) erstellt wurden und wie sie nun in der Studie für Fridays For Future durch das Wuppertal Institut Verwendung fanden, kommt auf Reduktionszahlen zwischen 36 und 59 % der Endenergie, wobei sich diese Szenarien auf das Referenzjahr 2018 beziehen. [Studie des Wuppertal Institus zur CO2-Neutralität bis 2035 in Deutschland https://wupperinst.org/fa/redaktion/downloads/projects/CO2-neutral_2035.pdf S. 37] Dennoch dürfte demnach die Annahme des BUND-RLP im Bereich der wahrscheinlichen Endenergiereduktion liegen, wie sie für ein klimaneutrales Rheinland-Pfalz zum Zeitpunkt der Klimaneutralität angenommen werden kann. Natürlich setzt dies neben den Effizienzgewinnen beim Umstieg von Verbrennungs- auf Elektromotoren oder von Gas- und Ölheizungen auf Wärmepumpen auch erhebliche Fortschritte etwa bei der energetischen Gebäudesanierung in Tiefe und Rate und einen starken Umstieg vom Individualverkehr auf den Umweltverbund in Bus, Bahn, Fahrrad und Fußweg voraus. Diese Dinge sind im Wahlprogrammentwurf an anderer Stelle ja bereits behandelt worden.
Nach dem BUND-Szenario steigt der Strombedarf bis zum Endpunkt der Energiewende in RLP auf 34,5 TWh an. Hinzu kommen noch einmal 10,9 TWh im Verkehrsbereich und 32 TWh im Wärmebereich. Wenn wir diese Energie aus Erneuerbaren bereitstellen möchten und dies hauptsächlich durch Anlagen in Rheinland-Pfalz, sollten wir (1) erstens die Deckung des Strombedarfs zum Endpunkt der Energiewende anstreben oder dem zumindest nahe kommen und (2) zweitens auch die anderen Sektoren in Wärme und Verkehr (hier scheint die Industrie schon einberechnet zu sein) zu ca. einem Drittel mit abgedeckt haben. Bis 2030 müssten wir demnach ungefähr Leistung zubauen, welche einen Jahresertrag von etwas zwischen 40 und 55 TWh erbringt. Mit den bisherigen Zubauzahlen im Wahlprogrammentwurf kommen wir ca. auf 20,5 TWh bis 2030. Da weitere Zubaumengen für die Deckung des Energiebedarfs im Wärme- und Verkehrssektor nicht genannt werden, ist der Wahlprogrammentwurf bislang so zu verstehen (und wird durch Wähler und potentielle Koalitionspartner auch so verstanden werden!), dass dies die Zubaumengen beim Ausbau der Erneuerbaren Energien in Rheinland-Pfalz bis 2030 vollständig abbildet. Demnach müssten wir von 2030 bis 2035 bzw. 2040 noch Kapazitäten im Umfang von 50 TWh zubauen, um auf die insgesamt benötigte Endenergie von 77,4 TWh zu kommen. Das ist dann auch rein vom Arbeitskräftepotential her in so kurzer Zeit nicht mehr machbar.
Natürlich müssen wir nicht die gesamte Energie in Rheinland-Pfalz gewinnen. Aber eine solch große Lücke können auch die anderen Bundesländer, die ja ebenfalls eher zurückhängen, nicht aufholen und auch aus dem Europäischen Ausland müssen wir nicht auf größere Mengen grünen Überschussstroms hoffen.
Kurzum: In den nächsten zehn Jahren müssen wir ambitionierte Ausbauziele für die Erneuerbaren haben, um überhaupt noch eine Chance zu erhalten, die Pariser Klimaschutzziele einhalten zu können.
Zur Abdeckung des Strombedarfs zu 100 %, um den es ja im Wahlprogramm bislang an dieser Stelle hier allein geht, wären wohl zwischen 25 und 34,5 TWh bis 2030 nötig; soweit sich dies überhaupt abschätzen lässt. Daher wurde hier die Änderung vorgeschlagen, mindestens eine Verdreifachung der Wind- und eine Verfünffachung der Solarleistung anzustreben, um der vermutlichen Strombedarfsentwicklung einer paris-konformen Energiewende bis 2035/40 Rechnung zu tragen.
Hinzu kommt der Faktor der Deckung des Endenergiebedarfs im Wärme-, Verkehrs- und Industriebereich, der ebenfalls nur sehr schwer prognostizierbar ist. Dennoch sollte dieses Ziel natürlich im Wahlprogramm verankert werden und könnte so umschrieben werden, wie es der hier eingereichte Vorschlag vorsieht. Dies hätte den Vorteil, ein klares Bekenntnis zur paris-konformen Energiewende in Rheinland-Pfalz im Wahlprogramm über alle Sektoren hinweg abgeben zu können und würde dann dazu Anlass geben, die genaue Berechnung der dazu notwendigen Zubaumengen durch die hier gefragten Fachstellen und Institute im Land durchführen zu lassen, die dann entsprechende Szenarien entwickeln müssten, um die Energiewende in Rheinland-Pfalz unter den neuen Vorgaben der Transformation bis 2035 bzw. 2040 auf eine belastbare Grundlage zu stellen.
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